13.05.2025 – Bericht vom 15. Prozesstag

Der 15. Prozesstag beginnt vor ca 25 Besucher*innen mit der in Augenscheinname asservierter Gegenstände, die von der ungarischen Staatsanwaltschaft zugeschickt wurden.

Diese Gegenstände, bei denen auch Prof. Dr. Eisenmenger hinzugezogen wird, werden vorne am Richterpult begutachtet. Für die anwesenden Besucher*innen ist das jedoch teilweise nur schwer erkennbar.

Auf- und teilweise vorgeführt werden, eine Pfefferspraypistole, ein großes und ein kleines Reizgas, 2 Teleskopschlagstöcke, ein Kubotan und 2 kleine Hämmer mit Gummigriff.

Insbesondere die Teleskopschlagstöcke werden eifrig vom vorsitzenden Richter Stoll auf ihre Funktionsweise überprüft, beim Reizgas wird auf eine praktische Vorführung glücklicherweise verzichtet. Am meisten Faszination scheinen aber die Gummihämmer auszuüben. Der Sachverständige bittet darum sich einen auszuleihen, um ihn zu untersuchen, der Richter klopft sich mit einem vorsichtig gegen den Kopf, kann aber trotz der Schlagwirkung weitermachen.

Anschließend geht es weiter mit der Inaugenscheinnahme von Fotos von drei Kameras, die sich in einem Hauseingang und Treppenhaus zu einer Air BnB-Wohnung befinden sollen.

Diese Air BnB-Wohnung mit 8-10 Schlafplätzen soll von einer später als Zeugin auftretenden Person (dazu später mehr) angemietet worden sein.

Sie soll wohl im Jahr 2022 während des angeblichen Tatzeitraums für 7 Nächte angemietet, aber nicht für alle genutzt worden sein.

Laut Hausverwaltung waren die Kameras aber zu dem Zeitpunkt nicht funktionsfähig und auch die Wohnung wurde seitdem oft weitervermietet.

Ein Schlüssel zu dieser Wohnung, der als verloren gemeldet wurde, wurde angeblich bei der Festnahme der Beschuldigten E. festgestellt.

Als Nächstes wird der ärztliche Befund aus dem Budapester Unfallzentrum verlesen. Er attestiert der vermeintlich Geschädigten Ossolja Fabian (phonetisch), die auf den morgigen Tag geladen ist,  eine Kopfverletzung mit den Symptomen einer Gehirnerschütterung, bis auf eine kleine Schwellung plus Platzwunde alles intakt, genäht hätte nicht werden müssen. Die Geschädigte sei zum Zeitpunkt des „Angriffs“ alkoholisiert gewesen und hätte nach der Einlieferung vom Rettungsdienst einen lebhaften Eindruck gemacht.

Nun geht es weiter mit dem ersten Zeugen des Tages. Dieser soll der Zeugin, die das AirBnB angemietet haben soll, die Mietsumme per Paypal überwiesen haben. Der Zeuge A. wird nach Abfrage der Personalien als Erstes gefragt, ob er wüsste, ob gegen ihn ein Verfahren anhängig ist. Der Zeuge weiß nicht, ob ein Verfahren anhängig ist und verneint die Frage nach kurzer Rücksprache mit seinem Zeugenbeistand.

Während bisher noch alles nach den Vorstellungen des vorsitzenden Richters verlief, sollte sich das in der kommenden Befragung ändern:

Die folgenden Fragen

  1. Sind sie vor dem heutigen Termin von einer anderen Person als ihrem Zeugenbeistand auf ihre bevorstehende Aussagen angesprochen worden?
  2. Sind Sie Mitglied des Vereins Rote Hilfe?
  3. Kennen sie Frau J. (Zeugin, die Wohnung angemietet haben soll)?

werden jeweils einzeln gestellt und jeweils vom Zeugen und seinem Zeugenbeistand mit Bezug auf §55 StPO und damit der Absicht, vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, nicht beantwortet.

Begründet wird dies damit, dass in einem Strafverfahren zu einer kriminellen Vereinigung auch Kennverhältnisse strafrechtliche Folgen haben können und die vorherigen Fragen allesamt dazu geeignet sein können, selbige Kennverhältnisse zu konstruieren.

Nachdem der Richter hierüber sein Unverständnis zum Ausdruck gebracht hat, weil aus seiner Sicht der Zeuge eben nicht Tatbeschuldigter sei, zieht sich der Senat 20 min zur Beratschlagung zurück.

Nach der Beratschlagung wiederholt sich das Ganze. Der Richter begründet erneut, warum er die Fragen für beantwortbar hält und warum Aussageverweigerung nicht zulässig sei und stellt erneut die Frage, ob der Zeuge im Vorfeld auf seine Aussage beim Prozess angesprochen wurde, wobei wiederum mit Berufung auf §55 StPO die Aussage verweigert wird. Die mögliche Selbstbelastung wird vom Richter als bloße Spekulation abgecancelt und anschließend mit einem Ordnungsgeld gedroht. Unbeeindruckt verweigert der Zeuge auch die Frage zur Mitgliedschaft in der Roten Hilfe und das obwohl der Richter im Anschluss eine kleinen Exkurs zur Roten Hilfe vorbringt, die mit 14.000 Mitgliedern, unter ihnen auch Bundestagabgeordnete, seiner Ansicht nach gänzlich unproblematisch sei. Warum ihm dann aber die Beantwortung der Frage relevant erscheint, bleibt vorerst sein Geheimnis.

Nachdem auch die dritte Frage zum Kennverhältnis zur Zeugin J. wieder nicht beantwortet wird, werden sowohl die Befragungsgrundlage für den Zeugen, die gestellten Fragen sowie deren Verweigerung zu Protokoll genommen. Außerdem auch, dass diese nach Ansicht des Senats beantwortet werden müssen.

Dann geht es in die Mittagspause, nach der sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung zur Zeugenbefragung äußern können.

Nach der Mittagspause, findet wenig überraschend die Staatsanwaltschaft, dass vom Aussageverweigerungsrecht kein Gebrauch gemacht werden kann, während sich die Verteidigung dem Zeugenbeistand anschließt und zusätzlich anmerkt, ob die ersten beiden Fragen überhaupt zulässig sind.

Nachdem vom Zeugenbeistand eine Positionsveränderung verneint wurde, zieht sich der Senat erneut eine halbe Stunde zur richterlichen Besprechung zurück.

Zurück von der Besprechung werden dem Zeugen A. 400 Euro Ordnungsgeld sowie die verursachten Kosten auferlegt, weil laut Gericht bei Frage 1 und 2 kein Aussageverweigerungsrecht zusteht, da die potentielle Selbstbelastung rein denktheoretischer Natur wäre.

Nachdem ein letzte Frage an den Zeugen diesmal mit Verweis auf die Anwendbarkeit von §55 StPO, ob er die entsprechenden Zahlungsvorgänge getätigt hätte und ob er sich bewusst gewesen war, dass diese zur Anmietung einer Wohnung in Budapest dienen für eine Gruppe, die von dort Angriffe plante, ebenfalls nicht beantwortet wurde, wurde der Zeuge entlassen.

Anschließend geht es weiter mit der Zeugin J. Bei der Befragung der Personalien äußert der vorsitzende Richter Interesse an dem Studiengang der Zeugin. Dieser Neugier wird jedoch nicht nachgegeben. Anschließend verhält sich das Ganze wie beim vorherigen Zeugen: Die Fragen zu Ansprache im Vorfeld und Mitgliedschaft in der Roten Hilfe bleiben mit Bezug auf §55 StPO genauso unbeantwortet wie die Frage, ob sich die Zeugin eines anhängigen Verfahrens bewusst sei.

Das ganze natürlich garniert mit wechselseitigen Diskussionen zwischen Zeugenbeistand und einem zunehmend grantiger werdenden vorsitzenden Richter Stoll. Nachdem klar ist, dass es zu keiner Aussage kommen wird, wird sachgemäß protokolliert, sich anschließend wieder für diesmal nur zehn Minuten zurückgezogen und ein Ordnungsgeld von 600 Euro verhängt.

Als es bei der Entlassung der Zeugin spontan Beifall aus dem Publikum gibt, platzt dem vorsitzenden Richter endgültig der Kragen und er droht denjenigen, die solch einen „Unsinn“ beklatschen mit Repressalien, sollten die Beifallsbekundungen nicht unterlassen werden.

Nach all dieser Aufregung wird der Tag mit einem Beweisantrag der Verteidigung dem Ende zugeleitet:

Zum Beweis der Tatsache, dass es sich beim Tag der Ehre in Budapest um eine zentrale Veranstaltung der extremen Rechten Europas handelt, soll eine Soziologin geladen werden.

Zudem werden in einer langen Aufzählung die Verstrickungen der angeblich Geschädigten in unterschiedlichen rechtsextremen Organisationen vorgestellt, sowie der Charakter des Tags der Ehre als rechtes Vernetzungsevent herausgearbeitet. Als zweiter Sachverständiger soll ein Musikwissenschaftler geladen werden, der die Einflussnahme von Blood und Honour aufzeigen soll.

Anschließend wurde der Prozesstag beendet.