14.05.2025 – Bericht vom 16. Prozesstag

Am 16. Prozesstag wurden die angegriffenen Faschos Dudog und Fábian als Zeug*innen gehört. Das Mitglied des Blood & Honour-Netzwerks Dudog und seine Freundin gaben dabei alles, sich als harmlose Bürger*innen darzustellen und ihre politische Haltung sowie die Tatsache, dass sie vor dem Angriff ein Blood & Honour-Konzert im Rahmen des Tags der Ehre besucht hatten, zu verbergen. Damit kamen sie aufgrund des Beweisantrags der Verteidigung (der sich auf Antifa-Recherchen stützt), auf den sich die Richter*innen in der Befragung bezogen, nicht durch. In Bezug auf den genauen Tathergang verstrickten sie sich in zahlreiche Widersprüche. Insbesondere Fábian dramatisierte die Ereignisse deutlich, wie ein Vergleich ihrer Aussage mit den Berichten des Krankenhauses offenbarte.

Zu Beginn des Verhandlungstages ermahnte Stoll die 30-40 anwesenden solidarischen Genoss*innen, auf jegliche hörbare Äußerung zu den Zeug*innen verzichten. Das sei die einzige Vorwarnung, er werde direkt beim ersten Verstoß Ordnungshaft (laut Verfügung bis zu eine Woche) verhängen.

Dann konnte es los gehen und László Dudog, ein inzwischen 62-jähriger Nazirocker, betrat den Gerichtssaal. Seine erste Schilderung des Tathergangs war recht kurz und bündig: er sei mit seiner Freundin an einem Vergnügungsort gewesen. Auf dem Nachhauseweg habe er plötzlich von hinten einen Schlag auf den Kopf bekommen. Ab da könne er sich an nichts mehr erinnern bis zu dem Moment, als ein junger Mann, ihn wieder zu Bewusstsein gebracht habe und er ins Krankenhaus transportiert worden sei. Überall sei Blut gewesen, er habe aus Mund und Ohren geblutet. Bei der anschließenden Befragung durch Richter Stoll stellte sich recht schnell Erheiterung im Publikum ein. Auf die Frage, ob der Dialysepatient Dudog, der aus medizinischen Gründen keinen Alkohol trinken darf, am Vergnügungsort namens Bierstube denn auch Alkohol getrunken habe, gab Dudog zwei Bier an. Stoll hakte nach: „Sonst nichts?“

Dudog: „Ein halber Wodka.“

Stoll: „Eine halbe Flasche?“ – Gelächter im Publikum

Dudog: „Nein, ein halber Deziliter, ein halbes Stamperl. Ich hatte keine Auseinandersetzung mit niemand“, versuchte er das Thema wieder in eine ihm angenehmere Richtung zu lenken. Stoll tat ihm vorerst den Gefallen und stellte Nachfragen zu seinen Verletzungen. Er sei 15 Minuten bewusstlos gewesen, seine Freundin habe gedacht, er sei gestorben (sie erwähnte das spannenderweise nicht). Geblutet habe er aus Mund und Ohren, wie er noch einmal bestätigte. Auch seine Freundin sollte diesbezüglich noch genauer befragt werden und räumte ein, dass Blut auch nur zu Mund und Ohren gelaufen sein könnte. Die Krankenakte legt nahe, dass er wohl aus der Nase blutete und am Hinterkopf, wo eine Platzwunde mit vier bis fünf Stichen genäht wurde, bevor er nach einer Nacht im Krankenhaus entlassen wurde. Als bleibende Schäden gab er Taubheit an einer Wange an. Das sei aber Glück, Gutachten würden bestätigen, dass eine Gesichtslähmung durchaus möglich sei. Auf den Bildern, die Dudog von seinen Verletzungen vorlegte, sah er durchaus übel aus: neben geschwollenen Augen hatte er heftige Blutergüsse im Gesicht. Der Sachverständige Professor Eisenmenger hakte insbesondere wegen seiner Vorerkrankungen nach: Laut Akte nimmt er nämlich den Blutverdünner Heparin, was zusammen mit seinem etwas aufgedunsenen Erscheinungsbild durch den medizinisch verbotenen Alkoholkonsum vor dem Angriff, die extreme Entwicklung der Blutergüsse erklären würde. Dudog bestritt, Medikamente zu nehmen (mit Ausnahme eines Diabetesmedikaments). Den Blutverdünner kenne er gar nicht. Da er ihn aber offenbar bei Einlieferung ins Krankenhaus angegeben hatte, war das freilich wenig glaubwürdig.

Nicht nur unglaubwürdig, sondern auch äußerst unterhaltsam, war die Befragung zu seiner politischen Ausrichtung. Ausgangspunkt war, dass Dudog angab, sich nicht erklären zu können, warum er angegriffen wurde. Vielleicht habe es an der Bekleidung gelegen. Das sei aber nur eine Mütze mit Totenkopf (er erwähnte natürlich nicht, dass es ein riesiger SS-Totenkopf war) und eine amerikanische Militärjacke gewesen. Man müsse die Täter fragen, warum sie ihn angegriffen hätten. Daraufhin erklärte ihm Stoll, er müsse ihm ein paar Fragen zu seinem politischen Hintergrund stellen. Um allen, die nicht vor Ort sein konnten, einen kleinen Einblick in seinen Auftritt vor Gericht zu ermöglich, wollen wir hier kürzere Passagen auch wörtlich wiedergeben:

Stoll: „Wann haben Sie an diesem Wochenende an Veranstaltungen teilgenommen, die mit dem Tag der Ehre zusammenhängen?“

Dudog: „Wir waren an einem Vergnügungsort, das war alles.“

Stoll: „Gehörte das zum Tag der Ehre?“

Dudog; „Es war ein Treffen.“

Stoll: „Ein Treffen mit wem?“

Dudog: „Nun, wie soll ich sagen? Ein Treffen mit Kameraden.“

[…] Dudog wird ein Foto aus einer Antifarecherche gezeigt, das u.a. ihn bei dem „Treffen“ zeigt.

Stoll: „Erkennen Sie jemanden?“

Dudog: „Nein.“

Stoll: „Sind Sie zu sehen?“

Dudog: „Nein. Doch, ich bin da mit der Mütze.“

Stoll: „Kennen Sie sonst eine Person?“

Dudog: „Ich kenne nicht alle.“

Stoll: „Das war nicht meine Frage. Erkennen Sie noch eine Person?“

Dudog: „Nein, nur mich.“

Stoll: „Ihre Freundin vielleicht?“

Dudog: „Ja, die Person mit der Ferencvaros-Mütze.“

Ähnlich auskunftsfreudig und widerspruchsfrei ließ er sich dann zum Inhalt der Veranstaltung ein. Aus „Ich weiß  nicht, was ich da gemacht habe“, wurde „Es gab Musik“, „Es gab nationale Rockmusik“ und schließlich „Es war ein Blood&Honour-Konzert“. Auch bei seiner eigenen Musikkarriere gab er alles nur häppchenweise zu und so wurde im Laufe der Befragung aus einem Hobbymusiker, der normale Rockmusik im privaten Rahmen gespielt habe, doch noch ein langjähriges Mitglied der Nazi-Bands Division Hungary und Divine Hate. Stoll hatte ganz offenkundig auch die Recherche des Budapest Antifascist Solidarity Committee gelesen (hier nachzulesen: https://www.basc.news/die-vermeintlichen-opfer-im-budapest-verfahren/) und befragte ihn noch zu seinen Tattoos (88 auf der Brust, Ku-Klux-Klan-Mitglied auf dem Oberarm) und dem T-Shirt mit der Aufschrift „Rudolf Heß – Märtyrer des Friedens“ (Dudog: „Das habe ich für die Arbeit“). Nachdem Dudog einsehen musste, dass die Strategie der Verharmlosung seiner Vergangenheit nicht gerade durchschlagenden Erfolg gebracht hatte, behauptete er, nach dem Angriff aber ausgestiegen zu sein. Wie glaubhaft seine Aussage ist, mag jede*r selbst bewerten. Nach zwei Stunden war der Spuk in jedem Fall vorbei und es ging in die Mittagspause.

Es folgte die Befragung seiner Freundin Frau Fábian, die nicht die von Dudog angekündigte genauere Schilderung liefern konnte. Sie gab nämlich nun an, selbst ca. sechs bis zehn Minuten bewusstlos gewesen zu sein. Warum dann im Bericht des Rettungsdienstes und des Krankenhauses stand, dass sie das Bewusstsein nicht verloren hätte, konnte sie nicht erklären (dort stand auch, dass sie alkoholisiert war, obwohl sie nach eigener Aussage gar nichts getrunken hatte). Allgemein habe man sich gar nicht um sie gekümmert, deshalb sei ihre Gehirnerschütterung auch nicht diagnostiziert worden. Sie sei dann irgendwann einfach aus dem Krankenhaus nach Hause gefahren. Ausführlich ging sie darauf ein, dass eine stark stinkende Flüssigkeit, die nach Lösungsmittel und Klebstoff roch, über sie geschüttet worden sei. Sie wolle unbedingt wissen, was das gewesen sei. Auch hier widersprach sie sich jedoch massiv. Während sie der ungarischen Polizei gesagt hatte, sie sei direkt am Anfang besprüht worden, gab sie nun an, sie sei aus der Bewusstlosigkeit erwacht, als die Angreifer*innen die Flüssigkeit über sie ausgeschüttet hätten. Sollten die Angreifer*innen wirklich sechs bis zehn Minuten gewartet haben, um sie dann mit Flüssigkeit zu begießen? Wie passt das zu ihrer Angabe, bewusstlos gewesen zu sein, als die Angreifer*innen wegliefen? Warum sagte sie zur ungarischen Polizei, sie habe sich nicht wehren können, vielleicht sei sie EINEN MOMENT bewusstlos gewesen? Dass der Angriff stattgefunden hat, ist nicht zu bezweifeln, aber es drängte sich doch sehr der Eindruck auf, dass Fábian ihn massiv dramatisierte. Die Täter*innen seien insgesamt zu acht gewesen, darunter zwei Frauen. Dies habe ihr eine ominöse Zeugin gesagt, die allerdings schon weg war, als die Polizei eintraf. Rettungsdienst und Polizei habe sie mit Hilfe zweier weiterer Zeugen selbst gerufen, nachdem sie wieder zu sich gekommen sei. Als Verletzungen dokumentiert waren bei ihr schlussendlich eine Schnittwunde im Gesicht und eine kreisrunde Wunde am Oberschenkel, die im Krankenhaus nicht aufgefallen sei und auf die sie erst ein Polizist in der Vernehmung im Krankenhaus hingewiesen habe. Richter Stoll verschonte sie im Vergleich zu Dudog weitgehend mit Fragen zu politischen Hintergründen, auch wenn sie das Blood & Honour-Konzert als nette Zusammenkunft beschrieb, bei der ein Mädchen aus der Schweiz Gitarre gespielt habe. Dennoch war sie sichtlich aufgebracht, warum man sie überhaupt danach frage. Sie sei doch als Geschädigte und nicht als Beschuldigte hier. Außerdem habe der Angriff damit gar nichts zu tun gehabt, es seien ja auch acht oder neun Leute angegriffen worden, die nicht bei dem Treffen gewesen seien. Nach 90 Minuten war schließlich auch ihre Befragung und damit ein Hauptteil des Programms vorbei.

Abschließend wurde das Programm für die folgenden Prozesstage bekannt gegeben. Am 21.5. sind demnach zwei namentlich nicht genannte Zeug*innen geladen. Es ist jedoch stark davon auszugehen, dass es sich um die angegriffenen deutschen Faschos Fischer und Brinkmann handelt. Denn neben den beiden Zeug*innen ist ein weiterer Sachverständiger (Professor Winkler) anwesend, der die Kausalität zwischen Angriff und dem heutigen Gesundheitszustand von Fischer einschätzen soll, was für Eisenmenger nicht möglich war. Zudem wurden zum Ende des Prozesstags noch die Krankenakten von Brinkmann und Fischer verlesen, die wohl v.a. Platzwunden davontrugen. Für den 22.5. ist dann ein Cop aus Ungarn geladen. An jedem Prozesstag und vielleicht noch einmal besonders am 21.5. rufen wir dazu auf, zahlreich zur solidarischen Prozessbegleitung ins Gericht zu kommen, um Hanna zu unterstützen und Faschos nicht die Möglichkeit zu geben, im Gericht aufzutauchen. Bislang haben sie das nur am ersten Prozesstag versucht. Gerade wenn wie am 21.5. deutsche Faschos geladen sind, müssen wir aber durchaus wieder damit rechnen.