Gemeinsame Presseerklärung Anwaltschaft

Keine Auslieferung nach Ungarn!

Als Strafverteidiger*innen der sieben jungen Antifaschist*innen, die sich am heutigen
Tag den deutschen Behörden gestellt haben, erklären wir Folgendes:
„Unsere Mandant*innen haben sich heute freiwillig den Strafverfolgungsbehörden
gestellt.
Ihnen wird vorgeworfen, an Angriffen auf deutsche, polnische und ungarische
Neonazis im Februar 2023 in Budapest/Ungarn beteiligt gewesen zu sein. Sowohl in
Deutschland als auch in Ungarn werden deswegen Ermittlungsverfahren u.a. wegen
Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und gefährlicher Körperverletzung
geführt. Es wurden deutsche Haftbefehle sowie auf Ersuchen Ungarns europäische
Haftbefehle erlassen.
Gegen diese Vorwürfe wollen unsere Mandant*innen sich in Deutschland verteidigen.
Die jungen Menschen haben sich deshalb trotz der drohenden Auslieferung an Ungarn
den Behörden gestellt. In Ungarn droht ihnen eine Verurteilung zu einer überlangen
Haftstrafe von bis zu 24 Jahren in einem Strafverfahren, das rechtsstaatlichen
Grundsätzen nicht genügt. Die Haftbedingungen in Ungarn sind menschenunwürdig.
Die Verteidigung der jungen Menschen, die sich heute gestellt haben, hatte bereits vor
über einem halben Jahr die Bundesanwaltschaft kontaktiert. Sie hatte mitgeteilt, dass
die Mandant*innen sich gegen die Zusage der Nichtauslieferung an Ungarn den
deutschen Behörden stellen werden. Die Bundesanwaltschaft kann eine Auslieferung
verhindern, indem sie das Strafverfahren in Deutschland führt. Ein Gespräch darüber
hat die Behörde mehrfach abgelehnt.
Die Bundesanwaltschaft macht deutlich, dass sie die abschreckende Wirkung
jahrelanger Untersuchungshaft in Ungarn und maßloser ungarischer Verurteilungen
will. Sie nimmt dabei in Kauf, dass das rechtsautoritäre ungarische Regime
europarechtliche Vorgaben unverhohlen ignoriert und den Rechtsstaat systematisch
aushöhlt.
Dass die Bundesanwaltschaft jegliches Augenmaß verloren hat, zeigt sich auch daran,
dass sie ohne konkrete Anknüpfungspunkte in zwei Verfahren aus demselben
Komplex, den Verfahren betreffend Maja T. und Hanna S., den haltlosen Vorwurf eines
versuchten Tötungsdelikts erhoben hat. Diese Einordnung ist ohne rechtliche
Substanz. Dementsprechend hat die Ermittlungsrichterin beim BGH auch keine
Haftbefehle wegen eines versuchten Tötungsdelikts erlassen.
Maja T. ist bereits im Sommer 2024 an Ungarn ausgeliefert worden. Die Entscheidung
des angerufenen Bundesverfassungsgerichts, das die Auslieferung vorläufig
untersagte, kam zu spät. Seit der Auslieferung befindet sich Maja T. in Isolationshaft
unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen; die Zelle ist mit Bettwanzen und
Kakerlaken verseucht und die Verpflegung völlig unzureichend.
Wir fordern von den deutschen Behörden, dass die jungen Antifaschist*innen nicht an
das rechtsautoritäre ungarische Regime ausgeliefert werden. Eine Auslieferung stellt
einen eklatanten Verstoß gegen grund- und menschenrechtliche Vorgaben dar.“