19.02.2025 – 1. Prozesstag

Der erste Prozesstag startete um 07.30 Uhr mit einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude mit starken Reden und Musik. Die Schlange für die Zuschauer*innen öffnete kurz vor 9 Uhr, wobei die Einlasskontrollen ewig andauerten. Drei Mitglieder der rechten Burschenschaft Danubia versuchten, sich in der Schlange anzustellen, wurden aber erfolgreich daran gehindert und wegbegleitet.

Der Prozess begann dann mit einer Stunde Verspätung gegen 10.30 Uhr . Der Gerichtssaal fasst ca. 100 Zuschauer*innenplätze, welche voll besetzt waren. In den ersten zwei Reihen mit Journos, alle anderen Plätze waren mit solidarischen Besucher*innen gefüllt (bis auf die zwei sehr unauffälligen Zivis mit Knopf im Ohr in der letzten Reihe).
Als Hanna den Raum betrat, wurde sie mit Standing Ovations und „You are not alone“- Rufen begrüßt, die mindestens zwei Minuten andauerten. Danach eröffnete der Vorsitzende Richter Stoll den Prozess und ging auf die Wahl des Gerichtssaals ein. Dieser sei nicht ausgewählt worden, weil das Gericht davon ausgehe, dass Hanna eine „Gefahr für die Allgemeinheit darstelle“, sondern aufgrund der polizeilichen Einschätzung der Sicherheitslage. Diese habe dazu geführt, dass in diesem Saal verhandelt werde. Des Weiteren fasse der Raum mehr Sitzplätze, was mehr Menschen ermögliche, dem Prozess beizuwohnen. Außerdem „sei der Saal freundlicher und heller, als die anderen Säle“, „das sei ja vielleicht ein gutes Vorzeichen“.
Anschließend verlasen die Vertreterinnen des Generalbundesanwalts (GBA), Oberstaatsanwältinnen Brunschier und Mand die Anklageschrift.
Angeklagt ist Hanna für die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB, gefährlicher Körperverletzung und versuchtem Mord. Mit zittriger Stimme beschrieb Brunschier die angebliche Bildung einer kriminellen Vereinigung, wobei schon aus der Anklageschrift deutlich wurde, dass selbst dem GBA nicht ganz klar zu sein scheint, wann Hanna welcher kriminellen Vereinigung beigetreten sein soll und wann sich diese gegründet haben soll. So bleibt für die GBA offenbar trotz jahrelanger intensiver Ermittlungen offen, ob die Taten in Budapest nun von der selben „kriminellen Vereinigung“ verübt wurden, der auch die Taten im Antifa-Ost-Verfahren zu Last gelegt werden oder ob es sich um eine andere, neu gegründete „kriminelle Vereinigung“ handelt.
Oberstaatsanwältin Mand ging im Anschluss näher auf den Tathergang ein. Hanna wird vorgeworfen, an einem Angriff auf einen ungarischen Staatsbürger als auch auf die Neonazis Sabine Brinkmann und Robert Fischer beteiligt gewesen zu sein. Diese hätten zwar bei den Angriffen lediglich Platzwunden sowie Schädelprellungen erlitten, dennoch, so der GBA, hätten die Angreifer den Tod ihrer „Opfer“ in Kauf genommen.

Daraufhin verlasen Hannas Anwälte Yunus Ziyal und Peer Stolle die Eröffnungserklärung der Verteidigung. Zunächst gingen die beiden auf die Rahmenbedingungen des Prozesses als auch die Art und Weise, wie Hanna von den Sicherheitsbehörden behandelt wurde und wird, ein. Sie kritisierten unter Anderem die Stigmatisierung ihrer Mandantin durch die Wahl des Gerichtssaals:

„Wir befinden uns heute hier in dem Hochsicherheitssaal der Münchner Strafjustiz. Ein Saal, der extra gebaut wurde für Verfahren gegen Terrorist*innen, gegen Personen, denen eine besondere Gefährlichkeit unterstellt wird“, so Hannas Verteidiger Peer Stolle. „Es ist klar, welches Bild vermittelt werden soll: Unsere Mandantin ist so gefährlich, dass gegen sie im Gefängnis – und nicht wie in einem rechtsstaatlichen Verfahren – in einem Gerichtssaal verhandelt werden müsse.“ Dies käme einer Vorverurteilung von Hanna gleich. Auch der Umstand, dass der Fall vor dem Oberlandesgericht und nicht wie bei Körperverletzungen üblich vor einem einfachen Amtsgericht verhandelt würde, rücke genau wie einige Aussagen des Generalbundesanwalts Hanna in die Nähe des Terrorismus, was in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Tatvorwürfen stehe. Zudem prangerten sie ihre Sonderbehandlung in der JVA, als auch den erschwerten Zugang zu medizinischer Versorgung trotz starker gesundheitlicher Beschwerden an. Außerdem wurde Hanna, nachdem sie am Montag vor Prozessbeginn nach München in die JVA Stadelheim verlegt wurde, am Dienstag in einen stillgelegten Krankentrakt im Männerknast verlegt. Dieser war nicht beheizt und der Boden sehr kalt. Die Begründung hierfür war, dass vom Frauenknast keine direkte Verbindung zum Gerichtssaal vorhanden sei, vom Männerknast aber schon.
Auch wurde auf das Datum des ersten Verhandlungstags eingegangen, den Jahrestag des Hanau-Attentats. Hier wurde eine Brücke geschlagen zu rechten Gewalttaten, welche seit 1990 laut Amadeu Antonio Stiftung 220 Todesopfer gefordert haben. Doch „Rechtsextremist*innen die durch Antifaschist*innen getötet worden seien, Fehlanzeige“. Hanna versuchten Mord vorzuwerfen, entbehre jeder Grundlage. Vielmehr ziele die Anklage darauf ab, Antifaschist*innen als Menschen darzustellen, von denen sich andere Menschen fernhalten sollten, da sie auch den Tod ihres politischen Gegners in Kauf nähmen. Die Anklage zeichne ein Bild von gefährlichen Linksextremist*innen, während die Gefahr, die von Neonazi-Vernetzungstreffen wie dem „Tag der Ehre“ ausgeht, laut Anklage scheinbar keine Rolle spiele.
Auch die immer noch andauernde U-Haft von Hanna wurde scharf kritisiert, weil zum Einen offensichtlich keine Fluchtgefahr vorliege und Hanna zum Anderen in ihrem Zuhause angetroffen wurde, also nicht untergetaucht war. Auch die Tatsache, dass mit Ausnahme von Lina E. als angebliche Rädelsführerin keine der Angeklagten im Antifa-Ost Verfahren in U-Haft saßen, zeige die Unverhältnismäßigkeit von Hannas Inhaftierung.
Im nächsten Punkt ging es um Hannas persönliche Verhältnisse. Lebenslauf und Zeugnisse wurden von dem Vorsitzenden Richter Stoll verlesen. Gute Noten und spannende Facharbeitsthemen sorgten für auflockernde Lacher und Beifall im solidarischen Publikum.
Vor Ende des 1. Verhandlungstags wurden zwei Durchsuchungsprotokolle verlesen und das „Programm“ für den 2. Prozesstag verkündet. Zudem wurde abschließend besprochen, dass sich darum bemüht werde, Hanna vor und nach den Verhandlungstagen nicht mehr im Krankentrakt des Männerknasts unterzubringen.
Nachdem für Hanna applaudiert wurde, Parolen gerufen wurden und das Publikum den Saal verlassen hatte, konnten Hanna und ihre Familie noch einige Worte wechseln.