Der fünfte Prozesstag am 18.03.2025 glich dem dritten und vierten Prozesstag: Erneut wurden stundenlang Videos von Überwachungskameras gesichtet, sodass alle Prozessbeteiligten sich nochmals ausführlich mit dem ÖPNV in Budapest vertraut machen konnten. Hinzu kamen Videos von öffentlichen Straßen und Plätzen, einer Bar, in der die Beschuldigten gewesen sein sollen und sogar die Dashcam eines Autos. Ursprünglich war auch die Vernehmung des Faschos Támas Pál Lipták vorgesehen, der jedoch zur Enttäuschung der drei anwesenden BILD-Journalist*innen nicht erschien.
Nachdem Hanna von den solidarischen Prozessbesucher*innen mit langem, stehendem Applaus begrüßt worden war, begann nahezu pünktlich der fünfte Prozesstag mit mehreren Erklärungen der Verteidigung zu den am vierten Prozesstag eingeführten Beweismitteln zum Angriff auf den Fascho Tóth. Hier hob die Verteidigung insbesondere hervor, dass der Vorwurf des versuchten Mordes jeglicher Grundlage entbehrt, denn auf den Videos war nur ein Schlag zu erkennen, der klar den Kopf traf und Tóth habe sich die ganze Zeit über bewegt. Außerdem stellten sie auch die Behauptung in Frage, dass die Angreifer*innen das Vorgehen genau einstudiert hätten, denn auf den Videos war zu sehen, dass diese sich mehrfach gegenseitig behinderten.
Daran anknüpfend war ursprünglich die Vernehmung von Támas Pál Lipták vorgesehen, einem führenden Mitglied der Légió Hungária, die den „Tag der Ehre“ mitorganisiert. Der vorsitzende Richter Stoll musste jedoch feststellen, dass er nicht gekommen war, woraufhin die angereisten Sensationsjournalist*innen der BILD-Zeitung genau wie ihr Kollege von der FAZ enttäuscht wieder abreisten. Die Generalbundesanwaltschaft führte u.a. die Option einer Videobefragung ins Feld, erklärte sich schlussendlich aber genau wie die Verteidigung mit der Verlesung des Vernehmungsprotokolls durch die ungarischen Cops einverstanden. Richter Stoll, dem deutlich anzumerken war, dass er den Text lieber zusammengefasst hätte, las zur Vermeidung von Verfahrensfehlern daraufhin, so schnell er sprechen konnte, das gesamte Protokoll vor, das größtenteils aus Formalia und Belehrungen bestand. Interessanterweise enthielt es keine persönlichen Daten von Lipták, obwohl dieser angegeben hatte, dass er keinen besonderen Schutz für seine Daten wünscht. Inhaltlich wurde Lipták wenig konkret. Er sei am Westbahnhof von einem Mann beobachtet worden. Dieser sei dann zusammen mit einer Frau in den Zug gestiegen und die Frau habe ihn mit einer Substanz besprüht, woraufhin er ein Brennen im Gesicht gespürt habe. Beschreiben konnte er die beiden kaum und wusste auch nicht, ob er sie wiedererkennen würde. Ihm vorgelegte Fotos halfen ihm auch nicht weiter, die beiden seien einfach in allen Belangen total durchschnittlich gewesen. Warum er angegriffen wurde, konnte er sich nicht erklären. Sein Foto kursiere zwar in linken Portalen und er habe Abzeichen an der Jacke getragen, die seien aber sehr klein gewesen. Wenn sie ihn anhand dessen identifiziert hätten, müssten sie auf jeden Fall auf ihn gewartet haben, es habe aber niemand gewusst, dass er zu dieser Zeit dort sein würde.
Nach der Verlesung folgte dann von 10:38 Uhr bis kurz vor 17:00 Uhr der dritte Teil der Kinovorführung mit den schönsten Aufnahmen aus Budapest. Durch die Vorstellung führte diesmal eine 29-jährige Bullin vom LKA Sachsen namens Pein. Die Videos bezogen sich auf Tatkomplex 4, den Angriff auf den Nazirocker László Dudog, einem Mann mit 88-Tattoo auf der Brust. Neben Bildern aus einer Bar, in der die angeblichen Täter*innen gewesen sein sollen und der Straßenüberwachung kamen wieder viele Videos aus dem ÖPNV zum Einsatz. Nachdem in der Vorwoche eine sechsminütige Tramfahrt eines der vielen Highlights der LKA-Videoshow war, setzten sie nun noch einen drauf und wir durften eine ganze Busfahrt nacheinander aus insgesamt drei verschiedenen Perspektiven bestaunen. Dudog, der vor Gericht in Ungarn ausgesagt hatte, er habe keine besonderen Erkennungsmerkmale gehabt und erst auf Nachfrage angab, auf seiner Mütze sei ein kleiner Totenkopf gewesen, war dabei mit einer Mütze mit riesigem SS-Totenkopf zu sehen. Der Eifer der ungarischen Cops schien keine Grenzen zu kennen, denn dem LKA lagen sogar die Aufnahmen der Dashcam eines Autos vor, das kurz vor dem Angriff an den angeblichen Täter*innen vorbeigefahren war. Der Angriff selbst war auf den Videos nicht zu sehen. Immer wieder wollten die Richter*innen auch die längeren Ausschnitte der Quelldateien ansehen, sodass vor der Mittagspause um 12:22 Uhr nur 18 von 31 Videos gezeigt werden konnten. Und so ging das Schauspiel auch nach der Pause nochmal eine gute Stunde weiter, bis Bullin Pein als Zeugin entlassen wurde.
Es folgte der dritte Auftritt des LKA-Bullen Neugebauer, der auch die Videos zum fünften Tatkomplex, den Angriff auf die deutschen Faschos Robert Fischer und Sabine Brinkmann, präsentieren durfte. Auch er zeigte die Videos aus der Bar, da dieser Angriff am selben Abend stattfand wie der auf László Dudog. Diesmal durften wir dem Geschehen in der Bar noch deutlich ausführlicher beiwohnen. Da auch auf Initiative der Staatsanwältin Brunschier immer wieder in die Quelldateien geschaut wurde, sahen wir gefühlt den gesamten 41-minütigen Aufenthalt in der Bar. Zumindest war über eine Stunde vergangen, bis wieder Videos von außerhalb der Bar gesichtet wurden. Bei den Aufnahmen aus der Bar stellte sich teils auch heraus, dass sich die Personen dort anders verhielten, als Neugebauer es zuvor geschildert hatte. Überhaupt schien Neugebauer nicht mehr in Topform und sorgte kaum mehr für Lacher durch eigenartige Formulierungen, mit denen er in der Vorwoche noch brilliert hatte. Dass zwischen dem Verlassen der Bar und dem nächsten Auftauchen der Gruppe auf einer anderen Kamera ca. eine Stunde verging, konnte er auf Nachfrage der Verteidigung nicht erklären. Aufnahmen des Angriffs selbst lagen auch im Fall Fischer/Brinkmann nicht vor. Dafür referierte Neugebauer mehrere Minuten darüber, was das An- und Ausgehen eines Lichtes an einem Haus, das von einer Überwachungskamera mit mehr als bescheidener Qualität erfasst wurde, bedeuten könnte. Es war wie schon die Tage zuvor: viel Spekulation, wenig Konkretes.
Erst um kurz vor 17 Uhr hatten alle Beteiligten die Vorführung für diesen Tag überstanden. Alle Videos aus Tatkomplex 5 waren aber noch nicht gezeigt worden, sodass es am nächsten Tag weitergehen würde, wenn auch ohne den privat verhinderten Neugebauer. Am nächsten Prozesstag sollten dann auch die ersten Identifizierungsvermerke vorgestellt werden.