Der siebte Prozesstag am 25.03.2025 war geprägt von Hannas eindringlicher Schilderung des demütigenden Vermessungsvorgangs, den die Verteidigung entsprechend auch beanstandete. Insgesamt wurden, an diesem Prozesstag, sechs Identifizierungsvermerke vorgestellt, wobei die Cops der SOKO LinX wieder allerhand Kreativität bewiesen, Dinge auf Fotos zu sehen, die dort auch beim besten Willen nicht zu sehen waren, dazu im folgenden mehr.
Pünktlich um 9:30 Uhr startete der siebte Prozesstag, heute mit einer neuen Polizistin der SOKO LinX des LKA Sachsen, der 30-Jährigen Büttner, die ihr Gesicht beim Betreten und Verlassen des Gerichtssaals hinter einer FFP2-Maske, vor dem Publikum, verbarg. Sie sollte am siebten Prozesstag insgesamt vier Identifizierungsvermerke vorstellen, welche sie geschrieben hatte. Drei weitere waren dann noch für den folgenden Prozesstag eingeplant. Sie stützte sich dabei im Wesentlichen immer auf die Kleidung der zu identifizierenden Person, um nachzuvollziehen, dass es sich auf verschiedenen Bildern um dieselbe handelte, bezog sich dabei jedoch kaum auf körperliche Merkmale. Sie berichtete, dass eine Identifizierung, jeweils schon im Vorfeld ihrer Tätigkeit stattgefunden zu haben, demnach ihre Schlussfolgerungen bereits auf Grundlage dieses Wissens erfolgten.
So auch beim ersten vorgestellten Identifizierungsvermerk des Antifaschisten P., den schon vor ihr Cops des LKA Thüringen identitifiziert haben wollten. Auch im LKA Sachsen gab es bereits acht Monate vor ihrem Bericht einen Identifizierungsvermerk, an den sie sich auf Nachfrage der Verteidigung jedoch nicht erinnern konnte. Als Referenzbild lagen bei P. Aufnahmen aus einer ED-Behandlung im Jahr 2022 vor. Büttner wollte hier Ähnlichkeiten in den Gesichtszügen erkennen, konnte dies auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Stoll aber nicht wirklich prägnant benennen. Um den Weg der Person, welche angeblich P. sein soll, nachzuvollziehen, verwies sie v.a. auf seine Mütze, seine Hose (eine blaue Jeans – sehr markant und einzigartig) und seine schwarzen Nikes mit weißem Logo. Letztere kommen aufmerksamen Prozessbeobachter*innen vielleicht bekannt vor (Siehe voherige Berichte), hatten sie doch bei bislang allen vorgestellten Identifizierungsvermerken als Merkmal gedient. Dass die Cops in der Lage sein wollen, die verschiedenen schwarzen Nikes mit weißem Logo, die in der Gruppe getragen wurden, zu unterscheiden, ist mindestens ebenso erstaunlich wie ihre Fähigkeit auf völlig verpixelten Bildern, auf denen mit viel gutem Willen vielleicht noch ein Mensch zu erkennen ist, kleinste Details auszumachen. Als Büttner mal wieder ein solches Bild vorlegte, musste auch der Vorsitzende Richter Stoll schmunzeln: „Anspruchsvoll würde ich sagen“, kommentierte er die Leistung von Büttner trocken. Immer wieder waren die Bilder zudem völlig überbelichtet. Büttner veränderte dann in Microsoft Word solange Kontrast und Helligkeit, bis die Farben der Kleidung wieder zueinanderpassten. Dass die angeblich gleichen Schuhe in ihrer Gegenüberstellung einmal weiße und einmal dunkle Schnürsenkel hatten, schien ihr jedoch entgangen zu sein. Was eben für den Identifizierungsvermerk vom Antifaschisten P. dargestellt wurde, wiederholte sich nahezu 1:1 beim ebenfalls von Büttner verfassten Vermerk zu M.
Im Anschluss verließ Büttner den Saal und die Verteidigung durfte ihre Stellungnahme zur Vermessung von Hanna vortragen. Rechtsanwalt Yunus Ziyal erläuterte, dass es ihnen um die Art und Weise ginge, in der die Vermessung durchgeführt wurde, bevor Hanna selbst das Wort ergriff und schilderte, wie demütigend die Vermessung am 13.3. verlaufen war. Hanna wartete darauf, zu ihrem Besuch gehen zu dürfen, als die Wärterin ihr mitteilte, sie müsse noch kurz zum medizinischen Dienst. Dass es zur Vermessung gehen sollte, wurde ihr nicht gesagt, sodass sie auch nicht die Gelegenheit hatte, die dafür vorgeschriebene Kleidung (Boxershorts, ärmelloses Top/Unterhemd) anzuziehen. Erst beim medizinischen Dienst, wo SOKO LinX-Bulle Mathe auf sie wartete, erfuhr sie, dass sie jetzt vermessen werden sollte. Sie antwortete, dass sie nicht kooperieren, sich aber auch nicht wehren werde. Nach etwas Diskussion wurde sie in einen Raum gebracht, in dem sich zwei Wärterinnen und zwei Studentinnen vom mit der Vermessung beauftragten Professor Labudde befanden. Dort wurden zunächst Fotos mit ihrer Anstaltskleidung gemacht. Anschließend wurde sie auf eine Liege gelegt und bis auf die Unterhose ausgezogen, bevor die Studentinnen Markierungen an ihrem Körper anbrachten und weitere Fotos machten. Rechtsanwalt Ziyal wies darauf hin, dass dies ein tiefer Eingriff in ihre Privatsphäre war. Die Fotos ohne Oberbekleidung waren nicht durch die Anordnung des Gerichts gedeckt, Gelegenheit sich gemäß der Anordnung zu kleiden oder ihr T-Shirt anzubehalten, hatte sie nicht. Ziyal beantragte daher, dass Professor Labudde sicherstellen müsse, dass niemand Zugriff auf die Bilder bekäme, die*der sie nicht zur Erstellung des Gutachtens brauche und dass sie insbesondere beim LKA Sachsen aus den Datenbanken zu löschen seien. Der Vorsitzende Richter Stoll sagte zu, die Angelegenheit zu prüfen.
Im Anschluss ging es mit dem nächsten Identifizierungsvermerk weiter, vorgestellt vom 27-jährigen SOKO LinX-Bullen Herr Fritz, der sich genau wie seine Kollegin Büttner hinter einer FFP2-Maske versteckte. Auch er hatte verschiedene Auswerteberichte verfasst und ging im Folgenden auf seinen Identifizierungsvermerk zu R. genauer ein. Als Referenz lagen bei R. zwei Bilder vor, die Fritz vom BKA erhalten hatte. Dieses hatten sie wiederum offenbar von italienischen Behörden überlassen bekommen. Auf R. als Verdächtigen seien sie gekommen, weil er mit einer weiteren Verdächtigen im gleichen Flugzeug nach Budapest saß. Ansonsten gab es auch bei diesem Identifizierungsvermerk kaum Besonderheiten, erneut wurden im Wesentlichen Kleidungsstücke auf verschiedenen Bildern verglichen, Unterschiede in persönlichen Merkmalen bekamen kaum Gewicht, beispielsweise der Haaransatz, der auf den Vergleichsbildern deutlich höher war als in Budapest, wie Verteidiger Stolle anmerkte.
Nach der Mittagspause stellte der Vorsitzende Richter Stoll nochmal Nachfragen an Hanna bezüglich der Vermessung. Er erkundigte sich, ob der geplante Besuch noch stattgefunden habe (Ja, nach 90 Minuten Wartezeit) und ob sie sich vor Ort über die Maßnahme der Fotos ohne Oberbekleidung beschwert habe. Verteidiger Ziyal stellte daraufhin nochmal klar, dass Hanna hier keine Wahl gelassen wurde. Ihr sei direkt gesagt worden, dass sowohl Fotos mit als auch ohne Kleidung gemacht würden. Der Vorsitzende Richter Stoll sagte daraufhin, dass sie mit Professor Labudde Kontakt aufnähmen und auch die Wärter*innen nochmal zu dem Vorgang befragen würden.
Als mit den Identifizierungsvermerken von Bullin Büttner fortgefahren werden sollte, setzte das nächste Kapitel Pleiten, Pech und Pannen in diesem Prozess ein. Vertreterin des GBA Staatsanwältin Brunschier wollte nochmal ein Video sehen, woraufhin sich die Richter*innen in der Ordnerstruktur auf die Suche machten. Mehrmals sagte der Vorsitzende Richter Stoll, dass man das vertage, um sich dann doch wieder umzuentscheiden. Nach handgestoppten 14 Minuten war dann der große Augenblick gekommen und alle Anwesenden durften sich ein etwa zehnsekündiges Video ansehen.
Den Rest des Nachmittags füllten weitere Identifizierungsvermerke von Büttner zu N. und P. sowie von Fritz zu J. Bei N. wurden als Vergleich auch Bilder von Instagram genutzt, bei J. war ein Hauptidentifizierungsmerkmal kurioserweise ein nicht zugewachsenes Ohrloch, das auf Bildern in Budapest 2023 und ED-Bildern von 2015 (!!) zu sehen war. Auch Nike-Turnschuhe sollten bei ihm wieder eine Rolle spielen. Vollkommen absurd wurde es allerdings als Fritz eine Tättowierung auf den Fingern, die bei den ED-Aufnahmen festgehalten worden war, auf Fotos aus Budapest wiedererkennen wollte, die qualitativ so schlecht waren, dass nicht einmal das Vorhandensein eines Tattoos zu erahnen war. Wohin zwischen zwei Aufnahmen mit kurzem zweitlichem Abstand, die beide J. zeigen sollten, der Mantel verschwunden war, den die Person, zunächst getragen hatte, konnte Fritz dagegen nicht erklären.
Um 15:40 Uhr war der Prozesstag in puncto Identifizierungsvermerke abgeschlossen. Der Vorsitzende Richter Stoll informierte abschließend noch darüber, dass der vermeintliche Geschädigte Tóth mitgeteilt habe, dass er nicht zur Zeugenaussage erscheinen werde. Es werde nun versucht eine audiovisuelle Vernehmung zu organisieren. Für den 9. Prozesstag wurden noch zwei unbeteiligte Augenzeug*innen aus Ungarn angekündigt, dann war es geschafft und Hanna verließ unter dem Applaus des solidarischen Publikums den Saal.