26.03.2025 – Bericht vom 8. Prozesstag

Am 8. Prozesstag wurden weitere Identifizierungsvermerke zu insgesamt 5 Beschuldigten vorgestellt. Wie genau die Identifizierung durchgeführt wurde, blieb dabei wie schon an den Prozesstagen zuvor unklar. Zahlreiche Widersprüche und ausweichende Antworten der geladenen Cops verstärkten jedoch den Verdacht, dass zur Auswertung des 1,5 Terrabyte umfassenden Videomaterials unzulässige KI-Software genutzt wurde.

Auch am 26.02.2025 sollte der Prozesstag wie gewohnt beginnen. Um kurz nach 9:30 Uhr kam Hanna unter dem Applaus des solidarischen Publikums in den Saal. Kurz danach folgte der Senat – ohne Applaus. Das Programm schien wenig spektakulär: die bereits vom Vortag bekannten Cops der SOKO LinX Fritz und Büttner sollten weitere Identifizierungsvermerke vorstellen. Doch es wurde spannender als gedacht, denn die beiden hatten wohl schon bessere Tage in ihrer Berufskarriere erlebt und sollten sich in zahlreiche Widersprüche verstricken.

Aber der Reihe nach: Den Auftakt machte der Bullenzeuge Fritz, der erneut mit FFP2-Maske vermummt erschien. Er sollte den Identifizierungsvermerk der Genossin C. vorstellen. Um sie in verschiedenen Tatabschnitten wiederzuerkennen, stützte er sich insbesondere auf ihre „weißen Schuhe im markanten Adidas-Schnitt“ und die „markante blaue Jeans“ – nun ja…
Herr Fritz kam auch bei seinen Abbildungsnummern durcheinander und vergab die gleichen Nummern in seinem Bericht oft mehrfach, was zur Verwirrung und Verzögerung führte. Immerhin gab es noch Seitenzahlen, sodass sich dennoch alle Prozessbeteiligten einigermaßen orientieren konnten. Interessant wurde es dann, als Verteidiger Ziyal, Fritz nach den weißen Kästen fragte, welche auf einigen Abbildungen um verschiedene Personen herum gezogen waren. Auf dem Bild, über das in diesem Moment gesprochen wurde, waren sie kaum zu erkennen, was Fritz nutzte, um der Frage auszuweichen: „Ich kann auf diesem Bild keinen Kasten erkennen, zu dem ich etwas sagen kann.“ Zum Leidwesen von Fritz waren die weißen Kästen wohl unbeabsichtigterweise noch auf weiteren Bildern in seinem Bericht zu sehen. Fritz wand sich sichtlich um eine Erklärung und erläuterte zunächst, er habe auf den Bildern nur Ellipsen und Pfeile zur Markierung eingefügt. Auf Nachfrage des Richters Stoll, wie denn die weißen Kästen entstanden seien, antwortete er vielsagend „Aussagen zur verwendeten Software sind nicht von meiner Aussagegenehmigung gedeckt.“ Ob Software zur automatisierten Erkennung von Personen eingesetzt worden sei, wie Ziyal fragte, dürfe er ebenfalls nicht beantworten. Die Verteidigung hakte weiter nach und Fritz erklärte, die weißen Kästen seien nicht in den Videos enthalten gewesen, als die deutschen Cops sie erhalten hätten, aber bereits zu dem Zeitpunkt, als er mit ihnen arbeitete. Ob sie von Kolleg*innen hinzugefügt worden seien, wisse er nicht. Doch es wurde einfach nicht besser für Fritz: Als kurz darauf die verlinkte Videodatei zu einer Abbildung mit Kästen abgespielt wurde, waren diese dort auf einmal verschwunden. Fritz bestätigte aber, das sei genau das Video, mit dem er gearbeitet habe. Auf die auf der Abbildung hinzugekommenen Kästen angesprochen, verwies er nur wieder darauf, zur Software nichts sagen zu dürfen. In Anbetracht des offensichtlichen Widerspruchs, dass ihm das Video so wie abgespielt ohne die in der Abbildung enthaltenen Kästen vorgelegen habe und er diese aber auch nicht hinzugefügt hätte, musste er sich erneut korrigieren und sagte auf Nachfrage nun aus, das im Gericht gezeigte Video unterscheide sich doch in Bezug auf die Kästen von dem, mit dem er gearbeitet hatte. Da Fritz offenbar nicht Aufschluss über die Kästen geben konnte oder wollte, regte die Verteidigung an, dies nochmal mit seinem Vorgesetzten Daniel Mathe zu besprechen. Die Richter Strafner und Reichenberger konnten nicht ganz nachvollziehen, warum diese Kästen denn nun für die Beweiskraft von Bedeutung seien, doch Verteidiger Ziyal verwies darauf, dass es eben schon relevant sei, wie die Polizei bei der Auswertung des Materials und der Identifizierung der Beschuldigten vorgegangen sei. Nachdem Fritz noch eingestehen musste, dass es keine Erklärung dafür gab, wann sich innerhalb derselben Tat, die Farbe der Jacke und der Bauchtasche von C. verändert hatte sowie zur Erheiterung des Publikums ein Bild in schlechter Qualität gezeigt wurde, auf dem Fritz C. mit ihrem Schatten verwechselt hatte, hatte er den ersten Teil seines heutigen Auftritts vor Gericht überstanden.
Abgelöst wurde er durch seine Kollegin Büttner, die mit dem Identifizierungsvermerk zu Genoss*in M. fortfuhr. Wie so oft hatte sie die Identifizierung nicht selbst durchgeführt, sondern auf Erkenntnisse des LKA Thüringen gestützt. Die Bilder aus Ungarn, die sie in ihrem Bericht u.a. Passbildern und Instagramfotos gegenüberstellte, waren äußerst unscharf. Die Richter*innen suchten eigenständig Material aus den Videos, die zumindest etwas bessere Qualität hatten. Daran, warum sie nicht selbst diese Aufnahmen genutzt hatte, konnte sich Büttner nicht erinnern. Auf Bitte von Hanna begann dann bereits um 11:30 Uhr die Mittagspause.
Eine Stunde später ging es mit dem Identifizierungsvermerk von T. weiter, erneut vorgestellt von LKA-Bullin Büttner. Ihr Bericht enthielt nur – wie immer qualitativ äußerst schlechte – Bilder aus Budapest. Büttner stützte sich bei der Annahme, dass es sich um T. handelte, rein auf ein Gesichtsvergleichsgutachten der Kollegin Fuhrmann-Fischer und sagte, ihr hätten keine ED-Bilder oder ähnliches von T. vorgelegen. Später gab sie nach wiederholter Nachfrage dann an, dass ihr das Gesichtsvergleichsgutachten vorgelegen habe – dieses enthielt auch ED-Behandlungsbilder. Nachdem der Vormittag für Fritz und Büttner nicht gut gelaufen war, schien sie nun etwas verunsichert und klammerte sich vermehrt an Formulierungen, die auswendig gelernt klangen. Nachdem sie auch den Identifizierungsvermerk zu Z. vorgestellt hatte, war der Arbeitstag für sie schließlich vorbei.
Zum Abschluss wurde dann wieder mit Fritz der Identifizierungsvermerk zu E. durchgegangen. E. identifizierte er u.a. an ihrem Adidas-Trainingsanzug. Derselbe Trainingsanzug hatte zuvor schon als Identifizierungsmerkmal von J. herhalten müssen. Von Richterin Hamel darauf angesprochen, gab Fritz zu Protokoll, dass ihm das bei der Durchführung der Identifizierung nicht aufgefallen sei.
Bereits um 15 Uhr beendete der vorsitzende Richter Stoll den Prozesstag. Für den nächsten Mittwoch sind zwei unbeteiligte Augenzeug*innen aus Ungarn geladen, am Donnerstag werden dann zwei weitere Bullenzeug*innen aussagen und Identifizierungsvermerke und/oder Gesichtsgutachten und Videoauswertevermerke präsentieren.