21.05.2025 – Bericht vom 17. Prozesstag

Zeuge Fischer entschuldigt sich (nächste Ladung 28.5.)

Zu Beginn reagierte die Staatsanwaltschaft auf den Beweisantrag der Verteidigung von letzter Woche. Ihrer Meinung nach müssten keine Sachverständigen zum Tag der Ehre geladen werden, da das Gericht selbst genug Sachverstand habe. Auch sprachen sie sich gegen eine in Augenscheinnahme der Nazitattoos des Zeugen Dudog aus.

Als erster Zeuge war erneut der stellvertretende Leiter der Soko LinX des LKA Sachsen Daniel Mathe geladen. Er schilderte, wie die Ermittlungen zum Budapest Komplex für ihn chronologisch abliefen. Hier in aller Kürze:

Am 11.02.23 sah Mathe eines der Tatvideos. Das Vorgehen kam ihm und seinen Kolleg*innen von Fällen aus Deutschland bekannt vor. Am selben Tag gab es eine Erkenntnisanfrage aus Ungarn. In der folgenden Woche wurden für die in Budapest Festgenommenen Spiegelverfahren eröffnet und Wohnungen durchsucht. Am 23.2. fand eine Videokonferenz statt, in der die ungarischen Cops den deutschen mit Hilfe einer Powerpoint-Präsentation die Situation erklärten. Mathe will schon währenddessen auf Fotos die Beschuldigten P. und J. erkannt haben. Der Generalstaatsanwaltschaft wurden die Erkenntnisse mitgeteilt, diese eröffnete in der Folge weitere Spiegelverfahren.

Mathe war nun Hauptsachbearbeiter und Leiter des Stabs der weitere Hausdurchsuchungen durchführte. Das hieß, dass er bei den Durchsuchungen selbst nicht anwesend war, sondern diese koordinierte. In den Wohnungen wurden weder für Budapest relevante Gegenstände noch die gesuchten Personen gefunden. Daraufhin wurden weitere Observationsmaßnahmen eingeleitet. Es folgten mal wieder längere Ausführungen über vorregistrierte SIM-Karten.

Ein paar Punkte, die Mathe aus seinem Arbeitsvorgehen beschrieb, halten wir vielleicht für relevant für andere.

  1. SIM-Kartenträger. Damit sind die kleinen Plastikkarten gemeint, in denen die Karten verkauft werden. In einer Wohnung fand sich keine SIM-Karte sondern nur dieser Träger. Die darauf abgedruckte Nummer war fortlaufend mit einer anderen gefunden SIM („Rufnummernstamm“). Daraufhin wurde davon ausgegangen, dass die Karten miteinander in Verbindung stehen könnten.
  2. Recherche bei Internetanbietern läuft anscheinend so ab: Plattformen wie die Deutsche Bahn oder AirBnB werden Namen, E-Mail Adressen und Handynummern geschickt. Diese werden mit den User*innendaten abgeglichen und an die Cops zurückgemeldet. Ein Beispiel dafür, wie das laufen kann: im DB-Account einer der Beschuldigten war eine Googlemailadresse angegeben. Die Anfrage an Google ergab, dass dort eine Handynummer zur Kontowiederherstellung hinterlegt wurde. Bei dieser Handynummer gab es in den Monaten davor Anrufversuche einer Festnetznummer. Diese gehörte zu einem Immobilienunternehmen, dort war die Handynummer in den Kundendaten einer Mieterin gespeichert. So konnten Mathe und Co. schließlich eine Wohnung, die von zwei der Beschuldigten angemietet worden war, observieren. Dort konnte aber nur ein Untermieter festgestellt werden, der bis heute aber keine Kenntnis darüber hat, dass er längere Zeit observiert wurde.
  3. Majas Festnahme: Telefonüberwachung einer Maja nahestehenden Person. Diese soll am Telefon zu einer dritten Person gesagt haben sie treffe sich bald mit Maja in Berlin. Daraufhin Observation, Verfolgung bis nach Berlin, dort nimmt das MEK Maja in einem Hotel fest.
  4. J. wurde im Regio festgenommen. Dabei hatte er einen Schlüssel und eine Stempelkarte eines Cafés bei sich. Mathe und Co. probierten den Schlüssel systematisch in den Straßen um das Café aus und konnten so Js Wohnung finden.
  5. Alle Smartphones mit Graphene OS Betriebssystem konnten bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt technisch nicht ausgelesen werden.

Auf die Frage, wie Mathe eigentlich auf Hanna als Verdächtige gekommen ist, antwortete er, dass er und die Kolleg*innen Fritz und Kästner den Verdacht hatten, als sie die Videos aus Budapest sahen. Hanna sei ihnen wegen des §129 Graffiti-Verfahrens in Nürnberg und als Kontaktperson von Leuten im Prozess um Lina bekannt gewesen. Die Anhaltspunkte seien aber recht dünn gewesen, da ihnen aus Budapest keine Aufnahmen zur Verfügung standen, auf denen die alle wichtigen Merkmale der Person gut zu erkennen waren. Ihren Verdacht ließen sie von der bereits gehörten „Super Recognizerin“, der zum Vergleich Bilder aus dem Internet, aus Bahnhofsüberwachung und aus der Wohnungsdurchsuchung bei Hanna vorlagen und der Gesichtsgutachterin Fuhrmann-Fischer prüfen. Das Gesichtsgutachten brachte kein eindeutiges Ergebnis, sie hätten aber auch weiterhin nicht ausschließen können, dass es sich bei der gesuchten Person um Hanna handelt. Infolge einer ED-Behandlung im März 2024 hätten dann bessere Vergleichsbilder vorgelegen. Dort zu erkennende Pigmentflecken konnte die Beamtin Pump jedoch auch auf qualitativ guten Aufnahmen aus Budapest nicht feststellen, weshalb sie Hanna nicht identifizieren konnte. Daraufhin schrieb Fritz nochmal einen Zusatzvermerk, in dem er behauptete, sich aufgrund der Nasenform sicher zu sein, dass die gesuchte Person Hanna sei. Als Hanna bereits in Haft war, wurde bei ihr zudem ein „Ringgutachten“ durchgeführt – Ringe die bei ihr in der Wohnung gefunden wurden, wurden daraufhin geprüft, an welche Finger sie ihr passen könnten. Anlass dafür war „ein metallischer Schein“ an einem Finger in einem Überwachungsvideo aus Budapest.

Zu den Selbststellungen am 20.01.25 und am 20.03.25 berichtete Mathe, dass alle Betroffenen sich bisher gar nicht zur Sache eingelassen haben. Zu den Kennverhältnissen zwischen den Beschuldigten konnte Mathe kaum etwas sagen, weil diese „schwierig zu formulieren“ seien. Ein Großteil der Personen soll den verschiedenen LKAs bereits bekannt gewesen sein, Mathe verwies auf die Personenberichte. Bezüglich Hanna gab es nur Hinweise auf Bekanntschaften mit den Beschuldigten P. und T. – zu allen anderen nicht. Darüber, wie die Kennverhältnisse zu „den Italienern“ zustande gekommen sein sollen, hatte er ebenfalls keine Kenntnisse.

Außerdem erzählte Mathe davon, dass er bei Majas „Entführung“ mitgewirkt habe. Es sei alles rechtens gewesen – von Majas Anwalt wurde zwar am Abend und in der Nacht mehrmals erwähnt, dass man sich beschweren werde, der Begriff „Bundesverfassungsgericht“ sei aber nicht gefallen. Man habe die Aktion daraufhin wie geplant durchgezogen, das von Österreich und Ungarn vorgegebene Zeitfenster sei sehr eng gewesen, weshalb man morgens um 2 Uhr begonnen und den Helikopter genutzt habe. Weitere Fragen dazu werden der Verteidigung nicht gestattet, da es aus Sicht des vorsitzenden Richters Stoll nicht relevant sei.

Nachfragen gab es außerdem mal wieder zur verwendeten Videosoftware. Laut Mathe war es den Beamten, die die Identifizierungsvermerke anfertigten, freigestellt, ob sie eine Software benutzen wollten (diese sei auch für die schon häufiger thematisierten weißen Kästchen um Personen verantwortlich). Alle Fragen zu dieser Software seien aber nicht von Mathes Aussagegenehmigung gedeckt. Der Verdacht, es könnte sich um illegalen Einsatz von Software, beispielsweise zur Gesichtserkennung handeln, wurde also ein weiteres Mal nicht ausgeräumt.

Mittagspause!

Weiter ging es mit der geladenen Zeugin Brinkmann. Ihr Antrag auf Nebenklage wurde zugelassen, da sie als Geschädigte Interesse habe. Ab jetzt also potentiell Faschos in der Nebenklage anwesend!

Brinkmann (45, Krankenschwester, Niedersachsen, blonde Dreadlocks) war im Februar 2023 mit ihrem damaligen Lebensgefährten Fischer für den „Tag der Ehre“ in Budapest. Die beiden wurden am Vorabend des Marsches nach einem Konzert von Unbekannten vor ihrer Unterkunft niedergeschlagen.

Auf Nachfrage erklärte sie kurz, warum sie nach Budapest geflogen war. Der Marsch, an dem sie teilnehmen wollte, war laut ihr ein „Gedenkmarsch an eine bestimmte einer Situation im zweiten Weltkrieg“. Fischer und sie besuchten am 11.02.23 ein Konzert in der Bar „Arena Corner“ von „Ewiger Sturm“, das sei eine „schweizer Sängerin, die zu Gitarre singt“. Auf Nachfrage beschrieb sie die Band als völkisch und heimatbezogen, „andere würden politisch rechts sagen“. Das Paar machte sich gegen 23 Uhr mit der Trambahn und zu Fuß auf den Nachhauseweg. Kurz vor der Unterkunft wurden sie von einer Gruppe überholt und schließlich vor der Tür verprügelt. Sie erlitt dabei Prellungen und eine Platzwunde, ihr Begleiter mehrere Platzwunden. Die Angreifer*innen konnte sie nicht erkennen, zuden verwendeten Schlagwaffen gab sie v.a. an, dass mehrere Schlagstöcke darunter gewesen seien. Nach dem Angriff riefen sie die Polizei, machten ihre Aussagen und wurden ärztlich versorgt.

Sie war sich sicher, von „der Antifa“ angegriffen worden zu sein, da ihr nichts entwendet wurde und es schon auf dem Konzert entsprechende Warnungen gab.

Als Rechte wurden sie laut ihr wohl an der Thor Steinar Jacke von Fischer erkannt. Ihre teuren Stiefeletten und Daunenmantel ließen sich nicht vom Blut reinigen und auch das Blut aus dem Treppenhaus habe sie selber entfernen müssen. Sie habe vom Angriff mittlerweile keine körperlichen Schäden mehr, aber sie sei immer wieder ängstlich, wenn Personen hinter ihr liefen. Fischer habe im Herbst nach dem Angriff und in der Folgezeit mehrere Schlaganfälle aufgrund einer Gefäßerkrankung gehabt. Ein Zusammenhang zum Angriff auf ihn ist ärztlich nicht bestätigt. Nach seinen gesundheitlichen Einschränkungen gefragt erläuterte sie, er habe leichte sprachliche Einschränkungen und Probleme mit dem rechten Arm. (Anm: Gerade letzteres schränkt ihn bestimmt sehr ein)

Morgen ist ein ungarischer Ermittlungsbeamter geladen und nächste Woche der Zeuge Fischer, der wohl auch in die Nebenklage will.