Die Verteidigung hält ihr Plädoyer, es sind viele solidarische Zuschauer*innen und mehrere Pressevertreter*innen anwesend, aber auch die Nebenklagevertreterin Nicole Schneiders.
Zu Beginn erläutert Rechtsanwalt Stolle die ideologischen Unterschiede zwischen rechter Gewalt, die sich gegen diverse unschuldige Menschengruppen richtet und in den letzten Jahrzehnten unzählige Todesopfer zur Folge hatte, und linker Gewalt, die sich gegen die Bedrohung von Nazis richtet und dennoch kaum Todesopfer verzeichnet. Er schildert das Versagen des staatlichen Gewaltmonopols sowohl in Ungarn, als auch in Sachsen, wo gegen rechte Gewalt kaum oder gar nicht ermittelt wurde und wird.
Anschließend wird darauf eingegangen, dass es KEINEN Nachweis gibt, dass es sich bei der UwP15 um Hanna handeln soll. Es gibt keine Hinweise auf eine Anreise von Hanna, keine Hinweise auf die Vorbereitung, keine Erkenntnisse aus der Hausdurchsuchung (außer dass die Ringe, die in Hannas Wohnung gefunden wurden auch auf ihre Finger passen, was nicht wirklich überraschend ist), es gibt keine Hinweise auf Google suchen, Ticketkäufe und Finanztransaktionen. Außerdem gibt es keine Hinweise auf Kennverhältnisse außer zum beschuldigten T., dass Hanna auch seinen ebenfalls beschuldigten Bruder P. gekannt haben soll ist auch nur eine Vermutung.
In allen Videos aus Budapest sind keine Interaktionen zwischen UwP15 (die Hanna sein soll) und T. oder P. zu sehen, was nicht für ein Kennverhältnis spricht. Auch mit den anderen Personen in den Videos interagiert UwP15 nicht.
Den Vorwurf des versuchten Mordes stuft die Verteidigung klar als überzogen ein, es gibt keine Hinweise auf ein Motiv für Mord und die Bundesanwaltschaft widerspricht sich selbst auch darin, dass sie immer sagen, die Angriffe sind nach dem gleichen Schema abgelaufen wie die im Antifa-Ost-Verfahren behandelten Angriffe – dort hat das Gericht aber geurteilt, dass es keine Mordabsichten gab und in Trainings explizit geübt wurde, wie man Faschos angreifen und verletzen kann, OHNE sie dabei in Lebensgefahr zu bringen – auch um Märtyrer-Helden Erzählungen zu vermeiden.
Falls das Gericht also meint, Hanna als UwP15 zu verurteilen, dann höchstens wegen gefährlicher Körperverletzung.
Der Versuch, eine kriminelle Vereinigung (§129) zu konstruieren, wird ebenfalls auseinander genommen. Einerseits fehlen wie oben beschrieben die Kennverhältnisse, die einzigen „Vorbereitungen“ die ermittelt wurden waren das Anmieten der Wohnungen, und die sind durch nur 2 Personen erfolgt – eine kriminelle Vereinigung muss mindestens aus 3 Menschen bestehen. Zusätzlich widerspricht dies dem von der Bundesstaatsanwaltschaft ermittelten Gründungszeitpunkt dieser kriminellen Vereinigung, der erst auf Februar 2023 verortet wird, während die Wohnungen anscheinend schon Monate vorher angemietet worden sein sollen.
Und auch die Behauptung der Bundesanwaltschaft, dass die Angriffe extrem gut strukturiert und organisiert seien, wird aufgegriffen: In den 2 Videos auf denen Angriffe (halbwegs) zu sehen sein sollen, stehen teilweise Personen scheinbar überfordert daneben, laufen wirr umher, eine Person verliert beim rennen einen Gegenstand und zwei Leute laufen fast ineinander.
Auch fehlt der Verteidigung der (für eine kriminelle Vereinigung benötigte) „langfristige“ Zusammenschluss – es gibt keinerlei Hinweise, dass die Personengruppe auch nach dem Tag der Ehre in Ungarn weitere Angriffe ausübte.
Aus Sicht der Verteidigung ist also keine kriminelle Vereinigung nach §129 gegeben.
Die Verteidigung beantragt Hanna frei zu sprechen, oder (falls dem Gericht die „wahrscheinliche“ Identifizierung durch „Superrecognizer“ ausreicht) nur für gefährliche Körperverletzung zu verurteilen. Zusätzlich wird gefordert, den Haftbefehl unverzüglich aufzuheben, da keine Fluchtgefahr besteht und Hanna sich dringend in gescheite medizinische Behandlung wegen ihrer anhaltenden Schmerzen begeben muss.
Am Ende gibt es wieder großen Applaus aus dem Zuschauer*innenbereich.